Wenn Teams auf drei Kontinenten sitzen, Zeitzonen springen und trotzdem eine riesige Solution vorwärts kommt, wirkt das schnell wie Magie. Bei Amadeus ist es Handwerk. Gülüm Basak und Annett Dawoud zeigen in ihrem T4AT-Vortrag, wie skalierte Agilität in global verteilten Teams nicht nur funktioniert, sondern spürbar Wirkung entfaltet. Mit klaren Regeln, mutiger Priorisierung, respektvollem Miteinander und einem Setup, das Nähe zum Kunden und Kosteneffizienz austariert.
Wer ist Amadeus und was heißt das für Agilität
Amadeus ist einer der großen IT-Player im Reise- und Touristikmarkt. Von der Inspiration über Suche, Buchung und Ticketing bis hin zum Gepäcklabel am Flughafenautomaten laufen unzählige Prozesse über Amadeus-Software. 19.000 Mitarbeitende, mehr als 100 Büros, rund 150 Nationalitäten. Entwicklungs-Hubs befinden sich u. a. in Nizza, Bangalore, Bogotá, Istanbul und Bad Homburg. Das Operating folgt dem Follow-the-Sun-Prinzip, Vertrieb und Services sind nah am Kunden. Kurzum: global aufgestellt und damit prädestiniert für skalierte Agilität.
Die Herausforderung: Verteilte Teams, echte Produktverantwortung
Gülüm führt in die Praxis eines EMEA-Service-ART ein: Teams arbeiten an mehreren Standorten, Stakeholder sind weltweit verteilt, Anforderungen unterscheiden sich von Airline zu Airline. Die größte Hürde ist selten Technik, sondern Zeit und Takt. Zwischen Dubai-Lunch, Europa-Vormittag und spätem Indien-Feierabend schrumpfen die gemeinsamen Arbeitsfenster, besonders rund um Zeitumstellungen. Die Sprache ist Englisch, informell oft lokal. Entscheidend ist, dass alle synchron an denselben Zielen arbeiten und asynchron verlässlich kommunizieren.
Hybrid statt Entweder-oder: So gelingt PI-Planning über Zeitzonen
Bei Amadeus laufen PI-Plannings hybrid ab: Einige Kolleg*innen treffen sich vor Ort im großen Raum, andere werden remote zugeschaltet. Der Ablauf ist standardisiert, aber flexibel genug, um verschiedene Zeitzonen zu berücksichtigen. Dabei sind drei Bausteine unverhandelbar:
-
Alignment zu Beginn: Opening Session mit Zielen und Prioritäten für den ART.
-
Transparente Plan-Reviews: Draft Plan Review, Risk Management, Final Plan Review mit allen relevanten Rollen.
-
Klarer Zeit-Slot für alle: Die wichtigsten Slots werden so gelegt, dass sie für alle zumutbar sind. Teams nehmen dafür gelegentlich frühe Starts oder späte Enden in Kauf.
Wichtig ist auch der Modus: Jedes Team hat eine Person, die die Remote-Teilnehmenden aktiv im Blick behält, Probleme beim Ton oder beim Bild sofort löst und sicherstellt, dass Fragen gehört werden. Wenn einzelne Blöcke in einer Zeitzone nicht machbar sind, werden Inhalte aufgezeichnet und gezielt nachbearbeitet. Und ja, persönliche Begegnungen bleiben Gold wert. Mindestens einmal pro Jahr bringt Amadeus verteilte Coach-Teams physisch zusammen.
Rollen klug zuschneiden: Proxy Product Owner, wenn es der Kontext verlangt
Purist*innen mögen die Stirn runzeln, in der Realität globaler Produkte hilft es oft: Neben dem Product Owner in Kundennähe arbeitet ein Proxy PO eng mit dem Entwicklungsteam in einer anderen Region. Das sichert Prioritäten, klärt Details im Tagesgeschäft und hält die Taktung hoch. Auch in gemischten Konstellationen, etwa wenn Amadeus-Teams in Zügen eines Airline-Partners mitarbeiten, schafft die Doppelrolle Tempo, ohne die Kundennähe zu verlieren.
Regeln, die tragen: Team-Agreements für globale Zusammenarbeit
Ohne explizite Spielregeln wird aus Agilität Zufall. Was Teams bei Amadeus verbindlich klären:
-
Kommunikation: Kameranutzung, Chat-Kanäle, Antwortzeiten, Umgang mit asynchronen Updates
-
Definitionen: Definition of Ready und Definition of Done sind global geteilt und gelebter Standard
-
Dokumentation: Ergebnisse sind erst dann fertig, wenn sie im zentralen Repository dokumentiert sind. Nur so lassen sich Synergien heben und doppelte Entwicklungen vermeiden
-
Respekt und Offenheit: Erstmal vom guten Willen ausgehen, Missverständnisse aktiv ansprechen, Zusammenfassungen einfordern, statt Ja-Sager*innen im Unklaren zu lassen
Kultur intelligent nutzen statt fürchten
Zwar zeigen sich kulturelle Unterschiede, doch die Gemeinsamkeiten tragen. Diwali und Weihnachten stehen gleichermaßen für Licht, Familie und Schenken. Diese Brücken helfen. Gleichzeitig gilt: In manchen Kulturen sind Hierarchien stärker ausgeprägt. Also führst du Vorgesetzte früh in PI-Planning, Risk-Runden und Entscheidungen, statt sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. Und wenn ein Thema heikel erscheint, lohnt sich ein kurzer Check-in mit Kolleg*innen aus der Community. Respekt schlägt Annahmen.
Struktur gibt Rückenwind: LACE, Hub-and-Spoke und Communities of Practice
Damit 83 Release Trains nicht 83 Sprachen sprechen, hat Amadeus ein Lean-Agile Center of Excellence aufgebaut. Das LACE arbeitet als Hub, lokale LACEs wirken in den Business Domains als Spokes. Über 8.000 Menschen sind auf SAFe trainiert, Communities of Practice teilen Best Practices, etwa zur PI-Taktung, zur OKR-Harmonisierung oder zu Portfolio-Entscheidungen. Ziel ist kein Einheitsbrei, sondern anschlussfähige Standards, die die Zusammenarbeit über Züge und Domains hinweg erleichtern.
Nähe zum Kunden und Kosten im Lot
Global zu arbeiten eröffnet Spielräume. Angebote lassen sich über Standorte mit unterschiedlichen Gehaltsniveaus kalkulieren, ohne Kundennähe zu opfern. Das gelingt, wenn zwei Prinzipien gelten: Erstens, Teams möglichst vollständig verschieben, statt Leute herauszureißen. So bleibt die Teamleistung stabil. Zweitens, Kundenteams dort platzieren, wo Sprache, Kultur und Zeitzone passen. So entstehen kurze Wege und weniger Reibung.
Dos und Don’ts für verteilte agile Teams
Dos
-
Plane die wichtigsten PI-Slots so, dass alle teilnehmen können, und benenne eine Person pro Team für die Remote-Moderation
-
Arbeite mit Proxy POs, wenn Kundennähe und Teamexekution in verschiedenen Regionen liegen
-
Setze auf dokumentierte Entscheidungen und zentrale Artefakte
-
Etabliere klare Team-Agreements zu Kommunikation, Verfügbarkeit und Definitionen
-
Nutze Communities of Practice und LACE-Impulse, um Good Practices zu verbreiten
-
Plane echte Begegnungen ein, selbst wenn Budgets eng sind. Ein gemeinsamer Tag ersetzt viele Meetings
Don’ts
-
Verlasse dich nicht auf implizite Regeln
-
Überfrachte OKRs. 5 Prioritäten sind besser als 25
-
Plane alle Plenumsformate zur falschen Tageszeit für eine Region
-
Zersäge Teams durch Einzelversetzungen
-
Unterschätze Zeitzonen-Wechsel. Prüfe Einladungen und Kalenderlogik vor jeder PI-Woche
Praktische Checkliste für dein nächstes globales PI-Planning
-
Ziele, Fähigkeiten, Prioritäten vorab schriftlich teilen
-
Zeitzonen-Raster erstellen und Opening, Draft Review, ROAM-Risiken, Final Review für alle zugänglich legen
-
Remote-Owner pro Raum benennen
-
Proxy-Rollen festlegen, falls PO und Team getrennt arbeiten
-
Kommunikations- und DOR/DOD-Standards kurz wiederholen
-
Dokumentationspfad, Namenskonventionen, Schalter und Parameter festhalten
-
Reisebudget frühzeitig sichern und wenigstens einen physischen Touchpoint pro Jahr planen
-
Nach dem PI Inspect & Adapt mit konkreten Maßnahmen tracken
Das bleibt hängen: Klarheit, Rhythmus, Respekt
Globale Agilität ist kein Kunststück für ausgewählte Vorzeigeprojekte. Sie ist eine Frage von Klarheit, Rhythmus und Respekt. Wer Ziele schärft, Zeitzonen ernst nimmt, Rollen passend zuschneidet, Standards pflegt und Kultur als Ressource begreift, baut Produkte, die überall auf der Welt funktionieren. Genau das zeigen Gülüm Basak und Annett Dawoud mit ihrem Blick hinter die Kulissen von Amadeus.
Du willst wissen, wie globale Agilität bei Amadeus wirklich aussieht? Dann wirf direkt einen Blick in die Session von Gülüm Basak und Annett Dawoud auf YouTube: „Globale Agilität: Teams ohne Grenzen“ – Tools4AgileTeams 2024
Die T4AT 2025: Ein neues Format kündigt sich an
Nach der Konferenz ist vor der Konferenz – und 2025 wird’s noch spontaner, noch interaktiver, noch mehr Community:
Save the date: Bald ist es soweit! Die Tools4AgileTeams 2025 wird zur Barcamp-Edition – am 5. Dezember 2025 in Wiesbaden!
Jetzt mehr erfahren und Ticket sichern
Mehr erfahren